Wir sind im Nieselregen aufgewacht. Es hatte die ganze Nacht geregnet. Tief hängende Wolken verdeckten die Aussicht. Unser Gästehaus wird von einer Familie betrieben, bei der alle Familienmitglieder, einschließlich der Kinder, mithelfen müssen um die Gäste zu bekochen, zu bedienen und aufzuräumen.
Die Zimmer sind einfach, aber sauber. Die Duschen sind im Wohnkomplex, aber die Toiletten sind draußen hinter dem Haus. Überraschenderweise gibt es ein gutes WLAN. Damit hatten wir nicht gerechnet. Orte, an denen man sich vollständig von der digitalen Welt abschotten kann, scheinen immer seltener zu werden. Vom Gastgeber haben wir erfahren, dass das Internet erst vor einem Jahr installiert worden ist. Natürlich klagte er darüber, wie schnell seine Kinder süchtig nach sozialen Medien geworden sind. Trotzdem gilt im Haus eine strikte Regel: Sie müssen den Gästen zu jeder Zeit zur Hand sein – solange muss jegliches Surfen ruhen.
Nach einem typischen Frühstück bestehend aus grünem Tee, Brot, Eiern, etwas Honig, Marmelade und hausgemachter Butter schlug Inom vor, dass wir uns auf den Weg machen, um uns die einheimischen Mufflon-Schafe anzusehen. Gleich in der Nähe von unserem Gästehaus leben ein paar Exemplare in einem eingezäunten Gehege, wo sie von Wissenschaftlern besser studiert werden können.
Wir zogen also unsere Regenkleidung an und machten uns in Begleitung des Familienhundes auf, die Umgebung zu erkunden.
Angekommen an einem großen Gehege, suchten wir den Hügel ab, bis wir einige Mufflon-Weibchen mit ihren Jungen entdecken konnten. Da wir wussten, dass die Männchen mit ihren beeindruckenden großen Hörnern nicht weit sein konnten, machten wir uns auf den Weg zur anderen Seite. Und da waren sie. Hoch auf einem Felsvorsprung standen die männlichen Schaf mit ihren beeindruckenden, spiralförmigen Hörnern. Die Nurata-Berge sind das größte Naturschutzgebiet in Usbekistan und beherbergen mehr als 10.000 Mufflon-Schafe. Sie dürfen in nur sehr begrenzte Kontingenten gejagt werden, um sie nicht weiter zu gefährden.
Als wir die Berge weiter erklommen, folgten wir einem Bach in ein Tal hinauf. Da der Bach gerade sehr viel Wasser führte konnten wir nicht verhindern, dass unsere Füße dabei klatschnass wurden. Dazu wurde der Regen heftiger, und so waren wir nach einer Weile trotz unserer Regenjacken ein wenig durchnässt.
Der Familienhund folgte uns treu auf dem ganzen Weg. Unterwegs kamen wir an mehreren Bauernhöfen vorbei, und Esther bemerkte, dass einige Hunde kupierte Ohren und Schwänze hatten, andere jedoch nicht. Es stellte sich heraus, dass männliche Hunde, die den Hof und in den Bergen die Schafe vor Wölfen schützen müssen, die Ohren und Schwänze abgeschnitten werden. Die Erklärung der Einheimischen: So können die Wölfe sie nicht an ihren Ohren packen und festhalten und riskieren dann auch keine Infektion. Weibliche Hunde hingegen bleiben zu Hause, daher werden ihre Schwänze und Ohren nicht kupiert.
Wir waren rechtzeitig zum Mittagessen in der Pension zurück wo ein einfaches Mahl auf uns wartete. Wie immer mit zwei Arten von Salaten dazu etwas Gemüse-Reis mit Fleisch obendrauf, alles wieder mal in sehr viel Öl gekocht.
Da die Wettervorhersage Regen für den Rest des Tages voraussagte und unsere Ausrüstung bereits nass war, entschieden wir uns für ein Nickerchen. Im Anschluss haben wir dann in der Küche bei der Zubereitung unseres Abendessens ausgeholfen und uns mit Inoms Hilfe über unsere Famillien ausgetauscht.
Auf dem Menü standen usbekische Teigtaschen namens Manti. Der Teig, bestehend aus Wasser, Salz und Mehl, wird sehr dünn ausgerollt und in zehn cm große Quadrate geschnitten. Dann wird eine kleine Handvoll Füllung in die Mitte gelegt und die Ecken so zusammengelegt, sodass eine Teigtasche entsteht, die wie ein kleines Boot aussieht. Die Füllung besteht aus klein gehackten Zwiebeln, Kartoffeln, Dill und einigen kleinen Stücken Rindfleisch. Sobald die Bötchen geformt sind, kommen die Manti in einen Dampfgarer mit mehreren Ebenen, um im Anschluss im Wasserdampf zu garen.
Wir brauchten ein paar Anläufe, um die Teigtaschen richtig zu formen, aber wir hatten den Dreh schnell raus.
Es war eine nette Art, einen regnerischen Nachmittag zu verbringen und dabei das eigene Essen zuzubereiten. Die Manti waren lecker. Inom zauberte eine Flasche Weißwein und Wodka hervor, und so verbrachten wir einen unterhaltsamen Abend und quatschten bis spät in die Nacht.
Am folgenden Tag sollte es zumindest trocken bleiben, und so planten wir für den Morgen eine Wanderung zu Petroglyphen im Nationalpark.
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