Jedes Mal, wenn wir uns entscheiden zu zelten, werden wir daran erinnert, dass unsere Körper einfach nicht mehr daran gewöhnt sind, auf hartem Boden zu schlafen. Überraschenderweise hatten wir keine Schmerzen von den hölzernen Sätteln. Aber das Hin- und Herwälzen, während wir versucht hatten, eine bequeme Schlafposition zu finden, hat dann doch ein paar blaue Flecken an unseren Hüften hinterlassen. Als Chris um 7 Uhr morgens übernächtigt und verfroren aus unserem Zelt kroch, machte er sich daran, ein Feuer für unseren Wasserkessel anzuzünden.
Die Pferde hatten die ganze Nacht unruhig geweidet, und Borat tränkte sie (1.000 Jahre nomadische Erfahrung…) erneut am Morgen. Zum Frühstück gab es Haferbrei und Brot mit Auberginenmarmelade (Esther’s neues Lieblingsgericht). Um 8.30 Uhr saßen wir dann wieder im Sattel, da es bewölkt war und für den späten Nachmittag Regen angesagt war.
Wir versuchten noch, Chris’ Steigbügel anzupassen, um sie etwas länger zu machen, was dann nach einigem Herumprobieren doch ganz gut klappte. Nachdem wir wieder alles gepackt und unsere Sachen in die Satteltaschen gestopft hatten, waren wir bereit, uns auf unseren zweiten Reittag aufzumachen.
Also machten wir uns auf den Weg entlang der grasgrünen Hügel in Richtung der großen Chimgan-Berge. Aus der Ferne sahen wir einen Skiort und eine Seilbahn, die auf den Gipfel eines nahe gelegenen Berges führte, eine beliebte Sportart hier für die Wohlhabenden und Touristen.
Wir kletterten steile grasbewachsene Hänge hinauf, folgten kleinen Tierpfaden von einem Grat zum nächsten und steuerten dabei stets auf den großen Bergkamm zu. Nach drei Stunden auf unseren robusten und gut vorwärtsgehenden Pferden erreichten wir einen atemberaubenden Pass zwischen zwei Bergen mit herrlichem Blick auf beide Seiten.
Wir beschlossen, hier eine Mittagspause einzulegen. Erneut versuchten wir, Borat zu überzeugen, den Pferden etwas Freilauf zu gewähren, indem wir dem Führzügel mehr Spiel am Zaunpfosten ließen. Ohne Erfolg. Er lockerte ihre Gurte, band sie aber so kurz, dass sie kein Gras fressen konnten und mit hocherhobenen Kopf auf uns warten mussten. Jahrhundertealte Gewohnheiten ist einfach schwer beizukommen.
Das Mittagessen bestand wie am Vortag aus Brot (‘Non’), Käse und Wurst, der Auberginenmarmelade sowie vielen kleinen Leckereien wie getrocknetem Obst, Bonbons und kandierten Nüssen. Für uns vollkommen ausreichend.
Nach einer Stunde machten wir uns wieder gut gelaunt auf den Weg. Wir passierten Herden von Schafen und Kühen, und ab und zu wieherte Borats Leithengst, wenn er eine andere Pferdeherde in der Nähe spürte. In den meisten Fällen hielten sie Abstand, aber ab und zu versuchte der Herdenhengst, seine Herde vor den vier dahergelaufenen Hengsten zu verteidigen, indem er aggressiv gegenüber unseren Pferden auftrat. Einmal kam einer sehr nahe heran, und Borat und Inom mussten ihre Peitsche erheben und laut rufen, um ihn zu vertreiben. Angriffe von Hengsten sind hier nicht ungewöhnlich, und man muss immer auf der Hut sein, da die grünen Hügel nicht eingezäunt sind und Tiere frei herumlaufen können.
Wir kamen an einem Sommercamp eines Schäfers vorbei, etwas simpler als die unsrigen in den Alpen, wo sie nur für die Sommerperiode mit ihren Tieren in den Bergen leben. Im Winter ziehen sie wieder in tiefere Regionen hinunter. Eine nette Familie überreichte uns etwas in einer Tüte, das wie weiße Tischtennisbälle aussah.
Es stellte sich heraus, dass dies eine usbekische Spezialität namens Kurd ist, ein fermentierter und gereifter Hartkäse, der jahrelang halten kann und perfekte Nahrung für Reisende auf der Seidenstraße war und noch heute ein beliebter Snack ist – am Besten zu genießen mit Bier.
Auf unserem Weg zum zweiten Lager schwärmten Borat und Inom plötzlich aus und begannen nach etwas zu suchen. Verwirrt fragten wir, wonach. Es stellte sich heraus, dass sie uns mit einer besonderen essbaren Pflanze namens ‘Matar’ überraschen wollten. Sie wächst nur in dieser Region in den Bergen und wird nicht kommerziell angebaut. Wir blickten dem Abendessen mit Neugier entgegen.
Nachdem wir eine Herde Schafe und Ziegen durchquert hatten, stießen wir auf ein sehr junges, wahrscheinlich frisch geborenes Ziegenkitz. Es gab erbärmliche Schreie von sich und schien seine Mutter zu suchen. Zunächst versuchten wir, es mit unseren Pferden zur Herde zu führen, aber statt dessen schien es uns plötzlich als seine neuen Betreuer zu betrachten. Folglich entschied Inom, abzusteigen und das Ziegenkitz zu ergreifen, um es zur Herde zurückzubringen. Diese Aktion erschreckte jedoch das junge Tier, und Inom musste ihm hinterher rennen. Nach mehreren hundert Metern gelang es ihm schließlich, es einzufangen und das verirrte Tier wieder mit seiner Herde zu vereinen.
Zwei Stunden später kamen wir in Borats Heimatstadt, Chimgan, an und schlugen unser Lager auf Borats Wiese über der Stadt auf.
Wir hatten ein größeres Zelt mitgenommen, da der Regen zunehmen sollte, und hatten Glück, dass wir das Lager immer noch halbwegs im Trockenen aufbauen konnten.
Wir entschieden uns für einen gemütlichen Spaziergang, um die Umgebung zu erkunden. Beim erreichen des Dorfes suchten wir in einem kleinen Laden in Chimgan nach Erfrischungen und teilten uns zwei Flaschen Bier. Währenddessen spielte Chris mit einem lokalen Kind ein Spiel, bei dem es darum geht, eine Karte durch draufschlagen mit der flachen Hand umzudrehen. Das Spiel erwies sich als herausfordernd, und trotz Chris’ Bemühungen ging der Junge als Sieger hervor, weil er zu unfairer Taktik griff, indem er seine Handfläche ableckte.
Inom holte eine der Kurd-Kugeln heraus und erklärte, dass sie am besten mit Bier genossen werden. Man muss die harte Oberfläche mit den Zähnen abkratzen, den weißen Kurd(käse) im Mund schmelzen lassen und gleichzeitig einen Schluck Bier dazu trinken. Wir haben es beide ausprobiert; es schmeckte salzig und sauer. Und tatsächlich passte es gut zum Bier. Aber es ist ein Geschmack, der gewöhnungsbedürftig sein kann.
Zurück im Lager brachten wir alles in unser Zelt, denn die Regenwolken rückten näher. Borat hatte das größere Zelt von zu Hause mit einem süßen kleinen Esel herbeigeschafft, der oft wieherte und dabei gleichzeitig furzte. Es brachte uns jedes Mal aufs Neue zum Lachen.
Auf einem ausgeschnittenen alten Eimer stellten sie einen abgerundeten Kessel und begannen, den Matar zuzubereiten.
Öl, Zwiebeln und klein geschnittener Matar wurden in den Kessel gegeben und angebraten. Matar ist eine Mischung aus Frühlingszwiebeln und Schnittlauch oder Bärlauch. Nach etwa 30 Minuten Kochzeit bekamen wir alle eine Schüssel voll und verschlangen es mit frischem Brot.
Es schmeckte wirklich sehr gut. Fast wie geräucherter Spinat.
Pünktlich nach unserem Abendessen begann es leicht zu tröpfeln. Wir zogen uns für die Nacht zurück und kuschelten uns in unsere warmen Schlafsäcke, lauschten dem leisen Tropfen des Regens.
Erneut sehnten wir uns nach weicheren Matratzen, aber hey, man kann nicht alles haben. Immerhin waren die Wettergötter heute auf unserer Seite gewesen, das musste reichen.
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