Nach dem üblichen reichhaltigen Frühstück freuten wir uns darüber, dass der Regen aufgehört hatte und der Himmel langsam aufklarte. Wir packten also unseren kleinen Rucksack mit etwas Wasser und Müsliriegeln und begannen, in eine andere Richtung als am Vortag bergauf zu wandern.
Unser Ziel war eine Felswand mit 3.000 Jahre alten Petroglyphen im Nationalpark. Wir wanderten durch kleine Dörfer und sahen, wie sorgfältig die Menschen ihre kleinen Gemüsegärten pflegten. In kleinen aquäduktartigen ausgehobenen Pfaden floß Wasser und bildete kleine Bäche, die manchmal kilometerlang von oberhalb der Dörfer in einem gleichmäßigen Gefälle von 5% abwärts flossen. Eine jahrhundertealte Technik um noch heute im Sommer die Felder zu bewässern. Diese Aquädukte müssen jedes Jahr gereinigt und repariert werden. Oft fließt das Wasser nur bis Juli in den Bächen, sodass bis dahin die runden, steinernen Zisternen der Dorfbewohner aufgefüllt werden müssen. Für Trinkwasser gibt es heutzutage Plastikrohre, aber die alten Aquäduktwege werden immer noch zur Bewässerung der Felder genutzt.
In einem Dorf sahen wir, wie Briketts aus Tierdung hergestellt und an der Seite der Ställe getrocknet werden. Sobald sie trocken genug sind, werden sie eingesammelt und für den Winter in einem Schuppen gelagert.
Alte Traktorreifen dienen aufgeschnitten als Futtertröge, alte Autoreifen als Schubkarrenräder. Hier wird nichts verschwendet und möglichst viel recycelt. Und erneut waren wir erstaunt, wie wenig Müll herumlag.
Wir wanderten etwa sieben Kilometer flussaufwärts, als wir zu einer seltsamen Anordnung kamen. Das Schild gab uns einen ersten Hinweis, aber erst dank Inoms erklärung wurde uns klar, dass dieses Set an Werkzeugen für die Brandbekämpfung gedacht ist. Es besteht aus fünf größeren mit Wasser gefüllten Plastikflaschen. Dazu zwei große Stöcke mit dicken Filzenden, offenbar um das Feuer auszutreten, und noch eine Schaufel und zwei Besen. Wir waren uns nicht sicher, wie viel Feuer sich damit bekämpfen lässt.
Im Nationalpark kletterten wir einen felsigen Hang hinauf. Alle Felsen hier bestehen aus Schiefer, der leicht bricht. Ohne Inom, der uns den Weg zeigte, hätten wir die Petroglyphen nie gefunden, da es keinen ausgeschilderten Pfad gibt. Wir waren die einzigen Besucher hier, abgesehen von ein paar Einheimischen, die wir auf dem Weg dorthin getroffen haben. Englisch spricht hier niemand, gelegentlich kommt man mit Russisch weiter.
Unter den Petroglyphen konnten wir eingeritzte Darstellungen eines Mannes und einiger Mufflonschafe in der Felswand eines schwärzlichen Schiefergesteins erkennen. Das frühzeitliche Kunstwerk muss einst größer gewesen sein, da einige Felsen drumherum abgbrochen sind. Es gibt keinerlei Schutz vor Touristen oder dem Wetter. Trotzdem haben die Reliefs die Jahrtausenden gut überdauert.
Nach einer kurzen Pause nahmen wir flußabwärts einen anderen Weg und stießen zufällig auf einige große, fußballgroße weiße Pilze. Sie sahen aus wie gigantische Boviste und schienen sehr selten zu sein. Inom konnte sich nicht erinnern, jemals so große Pilze gesehen zu haben.
Auf dem Heimweg zum Mittagessen begegneten wir einigen Einheimischen auf ihren Pferden, Eseln oder zu Fuß. Inom begrüßte jeden einzelnen von ihnen per Handschlag und führte mit allen ein kurzes Gespräch. Die Menschen hier sind sehr freundlich, sobald man sie in ihrer Sprache anspricht.
Im allgemeinen hatten wir den Eindruck, wenn wir alleine unterwegs waren, dass die Menschen hier nie lächelten oder gar lachten. Ob das daran liegt, weil das Leben hier in den Bergen so hart ist, oder ob sie von Natur aus eher zurückhaltend sind weil unser Usbekisch auf eine handvoll Worte beschränkt ist und sie hier nahezu kein Englisch sprechen? Inom, unser Alleinunterhalter, quatschte jeden so lange voll, bis ein paar Goldzähne aufblitzten.
Nach einer gut vierstündigen Wanderung erreichten wir wieder unser Gästehaus, um ein letztes Mittagessen hier zu uns zu nehmen. Dann packten wir unsere Taschen und machten uns auf den Weg zu einem Jurtenlager für unsere nächste Nacht.
Wir erreichten unser neues Zuhause gegen fünf Uhr Nachmittags. Die Fahrt verlief wieder ereignislos, die bergige, grünliche Landschaft wich einer gelblichen, wüstenartigen und flachen Landschaft.
Unsere Jurte ist sehr geräumig und bietet Platz für vier Personen, daher ist es ein Luxus, so viel Platz für uns zwei alleine zu haben. Und zum Glück war für morgen wieder Sonnenschein angekündigt.
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