Heute sind wir früh aufgestanden und waren bereits vor 8 Uhr am Registan-Platz. Die Sonne geht um 5.30 Uhr auf, daher war es bereits weit nach Sonnenaufgang, aber dennoch waren um diese Zeit fast keine Menschen auf dem Registan-Platz. Wir hatten den Platz also für uns alleine. Leider gab es auch keinen Kaffee, also saßen wir einfach nur dort, machten Fotos und bewunderten die architektonischen Meisterwerke in der morgentlichen Lichtstimmung. Es ist eine dieser Sehenswürdigkeiten, die einen jedes Mal in Ehrfurcht versetzen, egal wie oft man sie sieht.
Mit knurrenden Magen kehrten wir zurück zum Gästehaus, wo ein sehr reichhaltiges Frühstück mit usbekischen Köstlichkeiten auf uns wartete. Somsas, lokales Brot, Marmeladen und Honig sowie verschiedene kleine Backwaren luden uns zum Naschen ein.
Der Plan für heute war, Samarkand hauptsächlich zu Fuß zu erkunden und dabei den Registan auszulassen, da wir bereits zweimal dort gewesen waren. Für den Abend hatten wir einen Tisch in einem nahegelegenen Restaurant mit einer tollen Dachterrasse reserviert, von der aus man die Rückseite des Registan überblicken kann. Also fuhren wir zunächst mit dem Auto zum Universitätsboulevard, einer usbekischen Version der Champs Elysées. Über 100 Meter breit, bot er nicht nur Platz für zwei Gehwege, zwei Fahrspuren in jede Richtung, vier Reihen von Bäumen, die zwei sandige Fußwege innerhalb der Fahrspuren trennten, sondern auch einen zentralen Paradeweg in der Mitte. Schöne alte Bäume spendeten Schatten vor der sich ankündigenden Hitze des Tages.
Wir schlenderten entlang des breiten Boulevards, vorbei an der Universität von Samarkand und einem prächtigen Gebäude, das an St. Petersburg erinnerte und für Konferenzen zwischen den zentralasiatischen Staaten genutzt wurde. Schließlich erreichten wir die Statue von Amir Timur, diesmal auf seinem Thron sitzend.
Es gibt drei solcher Statuen, die über Usbekistan verstreut sind: die Reiterstatue, die wir in Taschkent gesehen hatten, die sitzende Statue von Amir Timur in Samarkand auf seinem Thron und eine dritte stehende Statue in Shakhrizabz. Während wir dort waren, machten einige usbekische Studenten ihre Abschlussfotos mit Timur als Hintergrund und dabei kamen wir ein wenig mit ihnen ins Gespräch. Die Jugend hier scheint sehr engagiert und fast alle wollen eine zeitlang nach Europa kommen. Positiv fällt aber auch, dass die Meisten eine sehr gute Vorstellung davon haben, wohin sich ihr Land entwickeln sollte und sich dafür auch einsetzen. Und das obwohl die Regierung ja eigentlich eine milde Form der Diktatur ist. Die Verfassung Usbekistans ist übrigens auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft mit sozialen Garantien und Grundrechtsschutz ausgerichtet. Die praktische Umsetzung der Verfassung durch die Politik ist jedoch heftiger Kritik wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit und erheblicher Demokratiedefizite ausgesetzt. Wir sind gespannt, wohin sich das Land die nächsten Jahre entwickelt.
Direkt daneben befindet sich das Gur-e-Amir Mausoleum. Die Usbeken sind sehr angetan von ihren Mausoleen, und wir werden während unseres Aufenthalts hier viele davon besuchen. Das Gur-e-Amir ist die letzte Ruhestätte von Amir Timur, dem großen Herrscher, der während seines Lebens nie eine Schlacht verlor.
Er sollte nicht hier, sondern in seiner bergigen Heimatstadt Shakhrizabz begraben werden. Ursprünglich hatte er dieses Mausoleum für seinen Enkel und designierten Erben errichtet, der ein Jahr zuvor gestorben war. Aber es kam anders, und das Schicksal wollte es, dass Amir Timur im Winter an einer Lungenentzündung starb. Da die Bergpässe nach Shakhrizabz verschneit waren, war es unmöglich seinen Körper dorthin zu bringen. Daher entschied man sich stattdessen, ihn in Samarkand zu begraben.
Das Mausoleum ist ein beeindruckender Komplex, nicht nur wegen der verschiedenen Grabmale im Inneren, sondern auch weil es früher eine Medresse und ein Gästehaus für reisende Händler beherbergte. Es hat ein sehr hübsches gefliestes und gewölbtes Dach und, wie die anderen Gebäude hier, aufwändige Mosaikarbeiten in Blautönen, die die Wände und Bögen der Denkmäler schmücken.
Ein einfacher schwarzer Marmorblock kennzeichnet Amir Timurs Grab in der Krypta. Da das Mausoleum ein beliebter Ort für Touristen ist, insbesondere solche aus Russland, fühlten wir, dass es Zeit war, uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel zu machen.
Um den Menschenmassen der Busstouren zu entkommen und gegen den Touristenstrom anzugehen, entschieden wir uns für eine Autofahrt quer durch die Stadt zur Nekropolis von Shah-i-Zinda, die am Nachmittag meist überlaufen ist, da es oft das letzte Ziel ihrer Tour ist.
Shah-i-Zinda liegt auf einem Hügel, der als Friedhof dient, und kann am besten als Allee von Mausoleen beschrieben werden. Shah-i-Zinda bedeutet Grab des lebenden Königs.
Der Schrein, reicht angeblich bis ins 7. Jahrhundert zurück und beherbergt das Grab des Königs Qusam ibn-Abbas. Dieser soll angeblich den Islam in diese Region gebracht haben. Die Mausoleen sind bekannt als beste Beispiele für Timuriden-Fliesenkunst aus dem 14. und 15. Jahrhundert.
Mehrere Verwandte von Amir Timur, Ehefrauen und hochdekorierte Generäle sind hier begraben und haben ihre eigenen Mausoleen bekommen. Jedes besteht aus einer ziemlich großen Kammer, die meisten davon wunderschön mit verschiedenen Fliesenarbeiten dekoriert – innen und außen.
Nach dem Besuch der Nekropole, beschlossen wir, dass es Zeit für ein leichtes Mittagessen war, obligatorischer Tomatensalat inklusive. Schließlich bekam Esther ihre Gemüsesomsas, die sehr ähnlich wie indische Gemüsesamosas schmeckten. Nicht aufregend, aber einfaches und nahrhaftes Essen. Chris hatte Beef-Shashlik, dieses Mal war es nur Rindfleisch, das nicht gleichzeitig in Schafsfett getaucht war. Dafür war es in Essig getränkt. Was aber Chris’ Geschmack durchaus entgegenkam.
Nach dem Mittagessen schlenderten wir zur bedeutendsten Moschee in Samarkand, der Bibi Khanym Moschee. Timur errichtete sie mit Hilfe seines Beuteguts, das er bei der Invasion Indiens erbeutet hatte. Die Moschee wurde nach seinen Vorstellungen gebaut. Jeder sollte seine Größe sehen und erkennen. Mit über 40 Metern Höhe war sie eine der größten Moscheen ihrer Zeit. Zuerst führt ein großes Eingangsportal mit zwei runden Minarettürmen in einen großen Hof. Der Komplex beherbergt zwei kleinere Moscheen auf der rechten und linken Seite, eine für den Sommer und eine für den Winter, da in früheren Zeiten nur eine beheizt wurde. Die vierte Seite wurde von der Hauptmoschee eingenommen, flankiert von zwei sechseckigen Minarettürmen.
Ein Erdbeben im Jahr 1897 ließ die Moschee teilweise einstürzen. Sie wurde in den 1970er Jahren restauriert, aber dennoch bleibt der Hauptgebetsraum aufgrund großer Risse und mangelnder Mittel für eine ordnungsgemäße Renovierung für die Öffentlichkeit geschlossen. Dennoch ist sie ein beeindruckendes Denkmal für Timurs Herrschaft.
Bevor wir zurück zu unserem Gästehaus fuhren, hatten wir noch einen weiteren Zwischenstop eingeplant: den Siob-Basar neben der Moschee. Es ist der größte Basar in Samarkand und ähnlich wie der Chorsu-Basar in Tashkent verfügt er über die üblichen Bereiche für Gewürze, frisches Obst und Gemüse, Fleisch, Eier, Backwaren, Haushaltswaren, Textilien und Pflanzen. Wir lieben die Gerüche, die uns in den verschiedenen Bereichen umgaben.
Chris hat eine Handvoll lokaler Tomatensamen erworben, die wir zu Hause pflanzen werden, in der Hoffnung, dass sie genauso geschmackvoll sein werden wie die Tomaten hier. Der Geschmack ist einfach köstlich, voller Aroma, nicht vergleichbar mit denen zu Hause. Esther widmete sich noch dem Shopping, da echte Seidentextilien hier ein Schnäppchen sind. Unsere jungen studentischen Führer hatten viel Spaß daran, uns beim Feilschen zuzusehen, denn ein deutsches “Nein!” ist leicht zu verstehen, und wir fanden, dass wir mindestens einen 50%igen Rabatt vom ersten Preis bekommen sollten, der uns genannt worden war. Es gab viele “Neins”, als die Händler nur wenig nachgaben, bis auch wir ein wenig nachgaben, und das war es dann. Esther verließ den Laden wege einem Euro Unterschied, wurde aber zurückgerufen, um den Verkauf zu ihrem vereinbarten Preis abzuschließen. Es war für die Händlerin trotzdem ein gutes Geschäft, dessen waren wir uns sicher. Ein bisschen Feilschen macht aber immer wieder Spaß.
Unseren Durst löschten wir mit frisch gepresstem Orangen- und Granatapfelsaft und machten uns dann auf den Rückweg zu unserem Gästehaus. Da es gegen Mitte des Nachmittags mit 30°C ziemlich warm geworden war, wollten wir uns ein wenig ausruhen. Chris hatte noch einen geschäftlichen Teams-Call zu tätigen, und bevor wir zum Abendessen auf die Dachterrasse gingen, kamen wir wieder am Registan-Platz vorbei, der wieder in einem ganz anderen Licht erstrahlte als die letzten beiden Male.
Nach einem wundervollen Abendessen gingen wir früh schlafen, da wir uns am nächsten Morgen früh auf den Weg in die Nuratau-Berge machen wollten.
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