Buchara, von den Einheimischen Buxoro genannt, war einst eine der größten Städte Zentralasiens. Eine ehemalige Hauptstadt, bekannt für ihre Medressen (islamische Religionsschulen) und die vielen Kanäle und Becken, die durch die Stadt verliefen. Viele der alten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert sind erhalten geblieben, aber viele der Kanäle und Becken sind verschwunden.
Wie in Samarkand vereinen sich in Buchara die nördliche und südliche Route der Seidenstraße. Es war ein bedeutendes Handelszentrum mit einer großen Festung, die es bewachte und auch als Residenz des herrschenden Emirs diente.
Nachdem wir bei unserem abendlichen Spaziergang am Vorabend gesehen hatten, wie viele Touristen sich in der Stadt herumtreiben, beschlossen wir, früh aufzubrechen und erst im Anschluss zu frühstücken. So konnten wir die Stadt in der morgendlichen Ruhe erkunden.
Die Sonne war schon seit 5:30 Uhr aufgegangen und tauchte die Stadt in ein sanftes gelbes Licht. Es war so schön, die leeren Straßen entlangzugehen. Die Händler begannen gerade, einige Stände zu öffnen, und es waren keine Touristen in Sicht. Es fühlte sich an, als hätten wir die Stadt für uns allein.
Wir klapperten alle bekannten Sehenswürdigkeiten ab, und Chris konnte einige gute Fotos machen, ohne das Heerscharen von Touris drauf waren. Als wir beim Kalon-Komplex ankamen, sahen wir, dass die Tore bereits geöffnet waren.
Wir zahlten die kleine Eintrittsgebühr und hatten den Innenhof und die Kalon-Moschee für uns allein. Es finden gerade etliche Renovierungsarbeiten im Inneren statt, und wir sahen, dass der Weg zum ikonischen Kalon-Minarett, das beeindruckende 47 Meter hoch ist, abgesperrt war. Schade, die Aussicht von oben wäre sicher großartig gewesen.
Wir wussten, dass Inom uns später am Tag alles über die Geschichte der einzelnen Orte erzählen würde, also ließen wir einfach die ruhige Morgenatmosphäre auf uns wirken. Und Chris konnte auf Fotopirsch durch die Stadt streifen.
Nach anderthalb Stunden waren wir zurück in unserem netten kleinen Hotel und trafen dort Inom zum Frühstück. Wir probierten einige neue Dinge, Blini mit einer Spinat- und Kürbisfüllung, hartgekochte Wachtel-Eier, und Chris hatte ein Déjà-vu, als er eine der lokalen Frühstücksspezialitäten sah: Pfannkuchen mit einer Art Bröselquark und Kirschmarmelade obendrauf. Er erzählte, dass seine Mutter diese Art von harten Quark als typisch tschechische Zutat zu ihren Erdbeerknödeln liebte.
Um Antizyklisch zu den Busgruppen unterwegs zu sein, war unser erster Halt auf dem Stadtrundgang die Festung des Emirs, die „Ark“ genannt wird. Dies ist das älteste Gebäude der Stadt und war vom 5. Jahrhundert bis 1920, als die Rote Armee sie bombardierte, durchgehend bewohnt.
Die Festung hat beeindruckende Außenmauern, aber heute liegen 80% davon in Ruinen. Die anderen 20% wurden restauriert und dienen heute als Freilichtmuseum. Eine alte Moschee, der Krönungs- und Empfangshof des Königs und einige kleinere Gebäude existieren noch, aber der Rest ist ein Erdhügel, allerdings mit einem fantastischen Blick über die gesamte Stadt.
Nachdem wir die Ark verlassen hatten, gingen wir zur nahegelegenen Bolo-Hauz-Moschee, dem offiziellen Gebetsort des Emirs. Bemerkenswert sind die Holzsäulen, die zu den feinsten in Zentralasien gehören.
Wir nahmen uns Zeit, die Moschee aus verschiedenen Blickwinkeln zu erkunden. Auf dem Weg zurück ins Stadtzentrum waren wir bereit für eine Kaffeepause auf einer schönen Terrasse mit Blick auf den Kalon-Platz und sein gigantisches Minarett.
Interessante Tatsache: Alle Tische hatten eingelassene Hufeisen für Glück
Dann betraten wir den Kalon-Komplex. Das Erste, was alle Blicke auf sich zieht, ist das Minarett. Es wurde 1129 von einem der herrschenden Khans erbaut und war damals das höchste Gebäude in Zentralasien mit einer fast zehn Meter breiten Basis und sogar Schilfrohren, um es erdbebensicher zu machen. Es hat 106 Stufen im Inneren, ist aber nur über eine kleine Brücke vom Hauptkomplex der Kalon-Moschee aus zugänglich und ist seit Jahren für Touristen geschlossen – dachten wir zumindest. Es sollte sich noch herausstellen, dass Inom eine Überraschung für uns in petto hatte.
Im Inneren des großen Eingangsportal der Kalon-Moschee befindet sich ein Innenhof, der von einem zweistöckigen Ring von Balkonen und Zimmern umgeben ist, die größtenteils aufgrund laufender Umbauarbeiten abgesperrt sind. Die Moschee selbst war geöffnet und wie in Samarkand mit wunderschönen blauen Fliesen verziert und hatte zwei Türme mit glänzenden türkisfarbenen Fliesen rechts und links. Sie wurde im 16. Jahrhundert erbaut und bietet Platz für bis zu 10.000 Menschen. Sie ist heute noch eine aktive Moschee.
Gegenüber der Moschee und dem Minarett befindet sich die Mir-i-Arab-Medresse, ein beeindruckendes Gebäude, das jedoch als noch aktive Schule für Touristen geschlossen ist.
Beim Durchwandern der drei alten Basargebäude waren wir überrascht, dass immer eine leichte Brise herrschte, die die 33°C Grad angenehmer machte. Bevor wir zum Mittagessen pausierten, machten wir noch einen weiteren Halt an einem Paar älterer Gebäude, die sich gegenüberstanden, beides Medressen. Die Uglugbek-Medresse sahen wir nur von außen, während die Abdul Aziz Khan Medresse eine der wenigen Gebäude ist, die nicht viel renoviert wurden. Die meisten Gebäude in der Stadt sehen frisch renoviert aus, fast wie eine Kulisse eines Films und nicht wie Gebäude aus dem 16. Jahrhundert.
In der Abdul Aziz Khan Medresse fanden wir auch wunderbare handgefertigte Tischläufer, etwas, das wir gerne von unseren verschiedenen Reisen mitbringen.
Wir hatten ein kurzes Mittagessen mit Hühnchen-Kebap, frischem Brot und Salaten, bevor wir zurück zum Hotel gingen, um uns frisch zu machen, am Blog zu schreiben und zu duschen.
Um 16 Uhr machten wir uns erneut auf den Weg, und Inom führte uns durch ein Labyrinth von kleinen Straßen, weg vom Stadtzentrum.
Während wir uns fragten, wo wir landen würden, öffnete sich plötzlich ein kleiner Platz vor uns, und in der Mitte stand ein sehr malerisches Gebäude namens Char Minar.
Ursprünglich war das ein Eingangsgebäude zu einer längst verschwundenen großen Medresse. Char Minar hat vier kleine Türme, die die Toleranz der damaligen großen Religionen symbolisieren, bzw. dessen Symbole integriert haben: Ein Fisch für das Christentum, den fünfzack für den Islam, den Davidstern für das Judentum und Schildkröten für den Zoroastrismus (eine an den Buddhismus angelehnte Religion). Wir stiegen auf das Dach, um die Türme aus der Nähe zu betrachten.
Danach schlenderten wir durch das jüdische Viertel, enge Gassen mit Häusern, die hinter großen geschlossenen Metalltoren versteckt waren. An einem Ort wurden die Häuser von drei jüdischen Familien, die gemeinsame Räume teilten, in ein Hotel umgewandelt und hatten einen sehr charmanten Innenhof und einen gemeinsamen Frühstücksraum aus dem 16. Jahrhundert.
Wir machten uns auf den Rückweg zum Zentrum und standen vor dem Lyabi-Hauz, einem großen ursprünglichen Wasserbecken, das von alten Maulbeerbäumen beschattet wurde, die mit reifen Früchten beladen waren. Wir hatten noch nie Maulbeeren gegessen. Sie kommen in weißen und schwarzen Früchten vor und schmecken sehr süß, und lecker. Es gibt so viele Früchte an diesen Bäumen, dass sie einfach auf den Boden fallen und die Gehwege darunter klebrig machen. Kleine Kaffee- und Imbissstände säumen den Pool, und jeder genießt es, hier zu sitzen und der Sonne zu entfliehen. Der Platz stammt aus dem 16. Jahrhundert, ebenso wie einige der Bäume.
Der Platz wird auf einer Seite von der Nadir Divanbegi Medresse eingerahmt, wo heute zweimal täglich usbekische Folkloretänze und Modenschauen präsentiert werden. Ursprünglich war es ein Karawanserei für die Handelskaufleute, bevor es in eine Medresse umgewandelt wurde. Sie hat einen schönen Innenhof und einen umlaufenden Balkon mit einer Reihe von Studierzimmer im zweiten Stock.
Auf der anderen Seite des Lyabi-Hauz befindet sich die Kukeldash-Medresse. Eines der wenigen nicht renovierten Gebäude. Sie stammt aus dem Jahr 1569 und war damals die größte islamische Schule in Zentralasien. Wir stiegen einige sehr enge und alte Treppen bis zum zweiten Stock hinauf und machten uns durch eine Reihe von Treppen und niedrigen Durchgängen bis zur Vorderseite der Medresse auf einen kleinen Balkon, der den Platz überblickte. Nicht viele Touristen kommen in den Genuss dieser Aussicht, da der Ort normalerweise übersehen wird. Wieder einmal waren wir dankbar, Inom bei uns zu haben, der scheinbar jede Ecke kannte.
Auf der dritten Seite des Lyabi-Hauz sahen wir die Nadir Divanbegi Khanaka, einen Sufi-Klosterhof, der damals für religiöse Zeremonien und wissenschaftliche Debatten genutzt wurde.
Inzwischen hatten wir etwas Appetit bekommen und machten uns langsam auf den Weg zu unserem Abendessen, das direkt über dem Poi Kalon (Kalon-Platz) lag. Das Abendlicht war sanft und gelblich. Als wir uns auf den Poi Kalon begaben, mit seinem atemberaubenden Kalon-Minarett, bat uns Inom, einen Moment zu warten, und verschwand im Eingang der Moschee. Nach einer Weile kam er zurück und winkte uns mit Verschwörermine herbei. Auf irgendeine Weise war es ihm gelungen, einen der Wächter zu überzeugen, uns den Minaretturm hinaufsteigen zu lassen.
Esther hatte nicht das passende Schuhwerk an, aber Chris machte sich mit Inom und einem Wärter auf den Weg, um die 106 Stufen zum Gipfel des Turms zu erklimmen.
Wir sind uns nicht sicher, wie viele Touristen die schnelle Bewegung von drei Personen über den kleinen Brückenzugang bemerkten oder anschließend die Köpfe oben auf dem Minarett sahen, aber wir fühlten uns wirklich privilegiert, diese Gelegenheit bekommen zu haben, den Platz aus der Vogelperspektive zu betrachten.
Nach diesem unerwarteten Bonusausflug gingen wir zu unserem Restaurant auf der Dachterrasse mit Blick auf den Kalon-Platz, von dem aus wir einen ausgezeichneten Blick auf das Minarett und die Mir-i-Arab-Medresse bei Sonnenuntergang hatten.
Wir genossen den wunderbar lauen Abend, das bislang beste Essen unserer gesammten Reise, sowie guten Wein, angenehme Gesellschaft und eine grandiose Aussicht.
Da wir in dieser Nacht um 2:40 Uhr aufstehen mussten, um unseren Schlafwagenzug nach Buchara zu erwischen, zogen wir uns früh zurück, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.
Zusammenfassend ist Buchara eine beeindruckende, alte Stadt, die reich an Geschichte ist. Wenn man die richtige Zeit und die richten Spots wählt, kann man jede Menge entdecken, und die Stadt einem ans Herz wachsen. Wer tagsüber durch die Stadt schlendert kann aber auf ein Touristan stoßen, das vielleicht nicht jedermanns Sache ist.
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